Großbrand in einem großen galvanischen Betrieb in Warstein

Am 09.07.2015 um 21.28 wurde die Feuerwehr Warstein zu einem Brand eines Galvanikbetriebes alarmiert. Ein weit sichtbarer Feuerschein mit Rauchentwicklung ist bereits bei der Anfahrt der Einsatzkräfte erkennbar. 350 Einsatzkräfte bekämpfen die dort auftretenden Gefahren. Am Donnerstag, dem 09.07.2015 gingen um 21.28 Uhr die ersten Notrufe bei der Leitstelle des Kreises Soest ein. Es sollte „Am Puddelhammer“ in Warstein ein Galvanikbetrieb brennen. Rauch und Flammen traten bereits aus einem Teilbereich der Firma AL Gramm aus dem Dach heraus. Bei dem Betrieb handelt es sich um ein Unternehmen der Oberflächenbearbeitung, das seit 2008 am Standort Warstein tätig ist und dort Aluminiumbauteile bis sechs Meter Länge für die Branchen Sanitär und Innenarchitektur beschichtet. Die Bauteile werden für dekorative Innenraumgestaltungen (Bilderrahmen, beschäftigt. Lampenfassungen etc.) weiter verarbeitet. Bis zu dem Brand waren bei Al Gramm 30 Mitarbeiter beschäftigt. Lage des Betriebes Der Betrieb liegt ca. 10 m von dem Fluss Wäster (Wassergewinnungsgebiet) entfernt und wird lediglich durch die vorbei führende Straße und Böschung getrennt. Die Wäster fließt in die Möhne, die Möhne in die Möhnetalsperre und von dort über die Ruhr ins Ruhrgebiet weiter. Das Gewerbegebiet befindet sich in einer Tallage zwischen den Ortsteilen Warstein und Belecke der Stadt Warstein. Oberhalb der Firma in östlicher Richtung liegt die LWL-Klinik Warstein für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit offenen und geschlossenen Bereichen. Weiter befindet sich dort der Ortsteil Suttrop.

Brandereignis: Die Rettungsleitstelle alarmierte gegen 21:28 Uhr zunächst auf Brand 3, das bedeutet in der Stadt Warstein Alarm für den Löschzug 1 (Löschzug Warstein), Löschzug 3 (Löschgruppen Hirschberg und Suttrop), die Drehleiter des Löschzuges Belecke sowie die ELW Gruppe zu dem Brandereignis zum Betrieb AL Gramm.

In dem Betrieb war es im Dachbereich der nordwestlichen Seite zu einem Brand gekommen, beim Eintreffen der ersten Kräfte kam schon dichter schwarzer Rauch aus den RWA Kuppeln mit deutlichem Feuerschein (siehe Fotos).

Gegen 21:40 traf der stellv. Leiter der FF Warstein, Donat Ahle an der Einsatzstelle ein und übernahm zunächst die Einsatzleitung. Schnell wurde klar dass die eingesetzten Kräfte nicht ausreichten, so das nach einer gründlichen Erkundung massiv weitere Kräfte alarmiert wurden.

Es waren im Einzelnen:
Wehralarm für die Feuerwehr Warstein, ELW1 und ELW 2 des Kreises Soest, ManV 1, sowie zunächst ein ABC Zug.
Der Grundschutz für das Stadtgebiet Warstein wurde durch ein HLF 20 der Löschgruppe Allagen sowie ein LF 20 der Löschgruppe Sichtigvor gestellt, die an Zentraler Stelle am Feuerwehrhaus Belecke in Bereitstellung gingen. Im laufe der Nacht kam noch eine Drehleiter aus Lippstadt hinzu. Die Einsatzstelle wurde in 4 Einsatzabschnitte eingeteilt, EA Wästerseite, EA Nordseite inkl. Gefahrstofflager, EA Westseite, Riegelstellung zum Fitnessstudio Energy, EA Löschwasserentnahme. In der Zwischenzeit war der KBM des Kreises Soest, Thomas Wienecke an der Einsatzstelle eingetroffen und übernahm nach Absprache mit dem bisherigen Einsatzleiter die Einsatzleitung, da mittlerweile massive weitere Kräfte aus dem gesamten Kreis im Anmarsch waren. Donat Ahle übernahm den Einsatzabschnitt Brandbekämpfung. Als größte Gefahr in diesem Einsatzabschnitt wurden die Galvanikbecken, die Cyanid Verbindungen enthielten sowie das Gefahrstofflager (Flusssäure) auf der Nordseite des Gebäudes angesehen. Zur Brandbekämpfung der Cyanidbecken wurden mehrere P250 Löscher eingesetzt. Das Gefahrstofflager wurde mit Schaum (Shamex – F15) geflutet, hier zeigte sich, dass der Schaum immer wieder nachgelegt werden musste, da dieser sehr schnell in einander fiel. Durch die enorme Hitze im Bereich des Gefahrstofflagers war es nicht möglich, dieses während des Brandes auszuräumen, da die Gefahr für die Einsatzkräfte zu hoch war. Im Abschnitt Riegelstellung zum Fitnessstudio Energy kamen zwei Drehleitern mit Wenderohr sowie mehrere B-Rohre zum Einsatz. Im Einsatzabschnitt Wäster beschränkten sich die Einsatzkräfte auf den oben erwähnten Löschangriff mit Pulver und kühlten den Bereich des Daches der mechanischen Bearbeitung hinter der Brandwand. Durch das Nichtvorhandensein von Einrichtungen zur Löschwasserrückhaltung im Bereich der Türen und Tore, insbesondere im Bereich des Brandschutztores zur Schleiferei, gelangte kontaminiertes Löschwasser aus dem Gebäude. Zur Vermeidung von Umweltschäden wurden sofort Rückhaltemaßnahmen eingeleitet. Insgesamt wurde die Taktik der Brandbekämpfung so ausgelegt, dass die umliegenden Gebäudeteile und Objekte geschützt wurden, gezielte Löschangriffe im Bereich der Cyanid-Bäder und im Bereich des Gefahrstofflagers durchgeführt wurden. Aufgrund der Nähe zum fließenden Gewässer und den daraus resultierenden Gefahren sowie den möglichen Reaktionsgefahren bei Vermischung von Säuren mit Cyaniden (starke Blausäurebildung) ist auf eine weitere Brandbekämpfung im Bereich der Galvanik verzichtet worden. Somit wurde die Gefahr für die Einsatzkräfte und Umwelt so gering wie möglich gehalten. Nachdem das Feuer im Laufe der Nacht mangels Masse erloschen war, wurden mit dem TGM 54 (Gelenkmast) der BF Dortmund gezielte Nachlöscharbeiten am Dach vorgenommen. Auf Anraten des Einsatzleiters KBM Thomas Wienecke rief Landrätin Eva Irrgang gegen 22.10 Uhr die örtliche Großschadenslage aus. Dies vor dem Hintergrund der besonderen Gefahrenlage und der überörtlichen Hilfe, da der Grundschutz (DLK – Einsatz) in einigen kommunalen Feuerwehren nicht mehr gegeben war. Diese wurde am Freitagmorgen gegen 4 Uhr wieder aufgehoben. Eine dichte Rauchwolke zog von dem Brandobjekt Richtung Südosten direkt auf die angrenzende LWL Klinik und die Ortschaft Suttrop zu. Die Gefahrenlage erforderte die Bildung eines Einsatzabschnitts Umwelt. Die Aufgabenzuteilung erstreckte sich auf die Warnung der Bevölkerung, Messung von Schadstoffen in der Luft und Löschwasserrückhaltung außerhalb des Gebäudes (zur Sicherheit). Besonders gefährdet durch die toxischen Rauchgase war hier die LWL Klink, in der sich zum Zeitpunkt des Brandes ca. 600 Patienten und medizinisches Personal befanden.

Im Laufe der Nacht wurde Unterstützung aus dem Kreis Paderborn und dem Hochsauerlandkreis angefordert. Die Einsatzkräfte kamen aus Lippstadt, Soest, Rüthen, Möhnesee, Erwitte, Anröchte, Geseke und Werl. Überörtliche Hilfe leisteten außerdem Einheiten aus dem Hochsauerlandkreis. Zusätzliche Masken und Filter wurden aus Hamm, Paderborn, Gütersloh, Dortmund und Bielefeld bereitgestellt. Die Polizei fuhr durch die Straßen und forderte die Bevölkerung per Durchsagen dazu auf, aus Sicherheitsgründen Fenster und Türen geschlossen zu halten und das Haus nicht zu verlassen. Diese Durchsagen gab es später in der Nacht auch in Brilon. Insgesamt kamen 350 Feuerwehrleute zum Einsatz. Zudem setzte die Polizei einen Hubschrauber ein, um einen besseren Überblick zu erhalten. Für Absperrmaßnahmen war die Polizei zwischenzeitlich mit 16 Streifenwagen im Einsatz. Nach der Brandbekämpfung und der Auflösung von den Bereitstellungsräumen wurde die Einsatzleitung wieder auf den stellv. Leiter der FF Warstein übertragen. Gleichwohl war der KBM Wienecke weiter vor Ort. Da es nach dem Brand am Morgen nicht möglich war das Gebäude zu betreten, wurde auf Veranlassung des Einsatzleiters Donat Ahle, der die Einsatzleitung inzwischen wieder übernommen hatte, ein Statiker hinzugezogen. Der Statiker sollte eine Einschätzung über die Standfestigkeit des Gebäudes geben. Das Dach war stark einsturzgefährdet, so dass auf Anraten des Statikers keine Kräfte das Gebäude betreten konnten. Daher entschied man sich, das Gebäude vorsichtig von der Nordseite her zu öffnen.

Als die Planungen hierzu anliefen, kam die nächste Hiobsbotschaft. Aus dem Gebäude traten Stoffe aus, so dass hier zwingend Maßnahmen nötig wurden. Durch einen herbei gerufenen Bauunternehmer wurde zunächst ein Graben direkt an der Gebäudewand zur Wästerseite ausgehoben und mit Folie ausgelegt. Dadurch konnten zunächst die Stoffe aufgefangen und eine Verseuchung derWäster verhindert werden. Es wurde sofort ein zusätzlicher ABC Zug und ein Dekon Zug zur Einsatzstelle beordert. Durch Einsatzkräfte des Messzuges wurden Proben der austretenden Flüssigkeit genommen und zur Analyse in ein Labor nach Lippstadt gebracht. Der Transport wurde durch die Polizei durchgeführt. In einer Lagebesprechung mit allen Behörden wurde das weitere Vorgehen geplant. Unter anderem sollte möglichst schnell das Gefahrstofflager geräumt werden, hierfür mussten zunächst zertifizierte Entsorgungsunternehmen zur Einsatzstelle bestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass der Einsatz sich noch über mehrere Tag hinziehen würde. Erst am Samstagnachmittag gelang es, ins Innere des Gebäudes vor zu dringen, nachdem mit einer Drohne das Gebäude erkundet worden war. Bei den Arbeiten am Freitag kamen im Wechsel nochmals ca. 250 Einsatzkräfte und am Samstag ca. 150 Einsatzkräfte zum Einsatz. Während der Arbeiten an diesen beiden Tagen war der Rettungsdienst mit OrgL und LNA vor Ort, es wurden spezielle Medikamente für den Einsatz direkt vor Ort vorgehalten, da von den Stoffen eine erhebliche Gefahr für die Einsatzkräfte ausging. Nur durch besonnenes Handeln und ständige Unterstützung durch die Fachberater Chemie ist es zu keinem Unfall gekommen. Am Samstag gegen 22 Uhr konnte dann Einsatzende gemeldet werden. Im Laufe der nächsten Tage musste die Feuerwehr immer wieder zu kleineren Nachlösch- und Aufräumarbeiten an der Brandruine ausrücken. Für die Kräfte der Feuerwehr war der Einsatz damit noch lange nicht beendet, da es jetzt daran ging, die Ausrüstung wieder einsatzklar zumachen. Ein Dank gilt allen, die zum Gelingen dieses Einsatzes beigetragen haben.

Schlussbetrachtung:

Die Rückschlüsse und Forderungen sind klar!
»» Separate Brandabschnittsbildung für die Galvanikbecken
»» Sichere Lager in massiven F90 Räumen mit geeigneten Zugangsmöglichkeiten von außen
»» Keine Anwendung der Industriebaurichtlinie für die Möglichkeit der Betrachtung als ein Brandabschnitt
»» Konsequente Löschwasserrückhaltung, Gefahrstoffrückhaltung im Gebäude durch mechanische vorgebaute Verschlüsse.

Die Brandschutzsachverständigen schrieben in ihrem Brandschutzkonzept von einem Dennochfeuer. Ein Vorhandensein von Brandlasten sei nicht da. Dieses Dennochfeuer war ein Vollbrand!
Es wundert einen sehr, dass so viele Galvanikbetriebe brennen, aber Konsequenzen nicht erfolgen.

Bericht:

Donat Ahle (stellv. Leiter FF Warstein),
Thomas Wienecke (KBM Kreis Soest)

Foto:

Daniel Schröder

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